[00:16:10] Brandon Ehrhardt Ja, jetzt müssen wir mal die praktischen Aspekte der Datenerhebung und Erkenntnisgewinnung hinter uns lassen und zu einigen Prognosen für die Zukunft kommen. Ihr habt Dennis schon bei seinem ersten Besuch einige Vorhersagen für die Zukunft äußern hören. Da waren ein paar wirklich spannende Ansichten dabei. Das war diesmal nicht anders. Wir haben von Dennis einige sehr spannende, aufschlussreiche Einblicke bekommen. Freut euch also auf die zweite Hälfte des Interviews. Alles klar. Jetzt wird es ernst. Zeit für ein paar Trendprognosen. Wir machen das wie eine Diskussion am runden Tisch, also Dennis fängt an, Richard macht weiter und ich übernehme den Schluss. Lasst uns darüber reden, was wir gerade beobachten. Also Dennis, du legst los. Was glaubst du, in welche Richtung entwickelt sich die Branche? Was wird der nächste große Trend? Wir haben euer ChatGPT-Plug-in „Ask Skift“ bereits erwähnt, aber du kannst natürlich ganz frei erzählen, was du für die nächste wichtige Entwicklung hältst.
[00:16:58] Dennis Schaal Ja, das ist der nächste große Trend. Künstliche Intelligenz. Ich glaube, dass das für Reisende ein riesiger Vorteil bei der Reiseplanung werden wird. Ihr von Expedia habt sowohl ein Plug-in als auch eine auf generative KI gestützte Funktion in eurer App und ich denke, dass auch viele Unternehmen das intern einsetzen werden, um ihre Abläufe zu optimieren. Wir haben schon kurz darüber gesprochen, einen Hype von der Realität zu unterscheiden. Und ich glaube, dass künstliche Intelligenz sich als großartige Entwicklung erweisen wird. Es könnte viele unbeabsichtigte Folgen haben. Ich glaube, etwas von der Aufregung rund um künstliche Intelligenz, also wenn jemand zum Beispiel sagt, eine neue Ära der Hyperpersonalisierung stünde kurz bevor ... Das sehe ich noch nicht so ganz. So, wie künstliche Intelligenz derzeit eingesetzt wird, denke ich, dass wir da noch weit davon entfernt sind. Aber es ist sehr schwer, das vorherzusehen.
[00:17:49] Brandon Ehrhardt Du bist dran, Richard.
[00:17:50] Richard Kocher Ja, ich glaube, ChatGPT ist ein interessanter Ansatz. Und für mich persönlich geht es dabei um das, was Dennis erwähnt hat, um das Optimieren von Abläufen. Aus der Perspektive der Datenanalyse hieße das, wie kommen wir schneller an Erkenntnisse? Wir haben also einen Datensatz, wie können wir KI darauf anwenden? Welche Erkenntnisse wollen wir gewinnen und wie schaffen wir das effizienter? Ich glaube also, dass KI in Zukunft für mein Team und die Gewinnung von Erkenntnissen aus Daten unglaublich wertvoll werden wird. Und darüber hinaus, was Reisetrends angeht ... Ich denke, dass einige der Trends, die sich während der Coronapandemie gezeigt haben, wie anhaltende Nachfrage nach Ferienunterkünften ... Es wird spannend, ob sich das halten wird. In diesem Zusammenhang haben wir auch einen wachsenden Wunsch unserer Reisenden beobachtet, einzigartige Erlebnisse zu buchen, zum Beispiel Übernachtungen in einer Scheune, auf einem Hausboot oder sogar ein einem Schloss. Und das schlägt die Brücke zu meinem anderen Punkt, und zwar dem gestiegenen Wunsch der Reisenden nach Erlebnissen. Neuen, einzigartigen Erlebnissen. Erfahrungen, die man sich nicht mit Geld kaufen kann. Natürlich kann man sich mit Geld die Reise kaufen, aber ich meine wirklich besondere Erlebnisse. Und dann, um noch einmal auf die Pandemie zurückzukommen, da gab es eine lange Zeit, in der Menschen nicht reisen konnten. Und jetzt versuchen Familien und Reisende, diese Zeit nachzuholen und die Welt zu sehen. Und das, glaube ich, ist auch ein gutes Zeichen für die Preisinflation. Und dann sehe ich da noch ein paar mehr Trends. Um noch einmal auf „Bleisure“-Reisen zurückzukommen ... Angesichts immer flexiblerer Arbeitsmöglichkeiten haben sich da einige tolle Trends entwickelt, denn viele Menschen können mittlerweile von überall arbeiten. Sie versuchen, Geschäfts- und Urlaubsreisen zu kombinieren, und tatsächlich buchen Reisende in vielen Fällen dafür Ferienunterkünfte. Und dann als letzten Gedanken dazu: Ich weiß, es gab schon einen Podcast zu nachhaltigen Reiseerlebnissen, und ich glaube, das wird für die Reisewelt immer wichtiger werden, sowohl für die Reisenden als auch für die Reiseunternehmen.
[00:19:37] Brandon Ehrhardt Cool. Dann komme jetzt ich mit meinen zwei Prognosen. Der erste Trend wächst seit der Pandemie, als die Menschen zwei, drei Jahre lang zu Hause festsaßen und Netflix geschaut haben. Und zwar möchten die Leute an die Orte reisen, die sie in Filmen oder Serien sehen. Und ich glaube, dass wir bereits beobachten konnten, wie Organisationen für Destinationsmarketing, Hotels und Reiseanbieter daraus ein Geschäft gemacht haben und versuchen, die Drehorte bestmöglich zu vermarkten. Ich glaube, dass die Effekte, die wir bei Bloodline und White Lotus, und sogar ganz früher bei Sex and the City für New York gesehen haben, die werden sich weiter verstärken. Deshalb ist der nächste Schritt, glaube ich, wie wir den Leuten helfen, diese Orte einfach zu finden und zu buchen. Und dann, mein zweiter Trend: Ich stimme Dennis zu, von Hyperpersonalisierung sind wir noch weit entfernt, und ich glaube, es besteht da die Versuchung, das mit einem Rundumschlag zu lösen, aber ich glaube, es geht darum, das in kleinen Schritten anzugehen. Und Personalisierung bei Bonusprogrammen, also im Sinne von: Welchen Vorteil möchte ein bestimmter Reisender? Möchtest du einen Rabatt? Möchtest du Cashback für deine nächste Reise oder ist dir ein Vorteil während des Aufenthalts wie zum Beispiel inbegriffenes Frühstück wichtiger? Ich glaube, da geht der Trend hin. Diese richtig großen Riesenprogramme werden einen stärker personalisierten Ansatz verfolgen müssen, um Reisende anzusprechen, denn es gibt so viele Bonusprogramme. Ich denke, dass das Programm, das Reisende am schnellsten individuell ansprechen kann, wachsen wird. Das wird die Kasse klingeln lassen. Also, da gibt es einige interessante Trends. Dennis, ich habe eine Frage an dich. Wir haben bei Ferienunterkünften einen Zuwachs, ein richtiges Wachstum gesehen, aber dann während der Pandemie ging der Markt ja wirklich durch die Decke. Gibt es deiner Meinung nach andere Sektoren, für die im Hinblick auf das sich nähernde Jahr 2024 mit einem exponentiellen Wachstum zu rechnen ist?
[00:21:24] Dennis Schaal Ich glaube, dass Städtereisen wieder stärker gefragt sein werden. Und das wird zur Folge haben ... Tatsächlich habt ihr von Expedia in eurem letzten Earnings Call bereits davon gesprochen, dass die Nachfrage nach Ferienunterkünften im Vergleich zu Pandemiezeiten etwas gesunken ist. Und davon, dass Städtereisen wieder stärker gefragt sind und dass Hotels wieder stärker gefragt sind. Ich glaube, dass viele Menschen wieder nach New York reisen werden. Und ich könnte mir vorstellen, dass das auch Auswirkungen auf die Art von Urlauben hat, bei denen Menschen mit dem Auto in große Ferienresorts fahren. Die hatten während der Pandemie ja zugenommen, denn das war ja der einzige Ort, wo man hin konnte, richtig? Aber ich frage mich, ob solche Urlaube nicht weniger werden, wenn Städte wieder stärker gefragt sind. Und bezüglich dessen, was du vorher über die Vermarktung von Reisezielen gesagt hast, im Hinblick darauf, wie sie Reisende für sich gewinnen und sich präsentieren können ... Da sehe ich Facebook langfristig definitiv an Werbeanteilen verlieren und Plattformen wie TikTok und Hulu davon profitieren. Das ist nichts Neues in der Reisebranche, dass ein führendes Unternehmen von den Newcomern verdrängt wird, und ich glaube, das wird sicherlich passieren.
[00:22:27] Brandon Ehrhardt Meinst du da Produktplatzierungen in Fernsehen, Film und Medien? Das ist ja nichts Neues. Das gibt es schon seit den Siebzigern und Achtzigern. Ich meine, die beste Produktplatzierung aller Zeiten war doch der Film Top Gun, oder? Wir haben ja gesehen, was mit den Rekrutenzahlen der Navy passierte, nachdem dieser Film herauskam. Also das Original von 1986. Ich glaube, dass Fernsehen und Destinationsplatzierungen eine riesige Chance bieten.
[00:22:51] Dennis Schaal Wenn du da an den Fokus auf Einheimische in der Werbung denkst, da hat Discover Puerto Rico diese ganze Werbekampagne rund um Einheimische und lokale Kultur erstellt. Und das passt auch zu dem, was du gesagt hast, Richard, darüber, wie Reisende auf der Suche nach authentischen Erlebnissen sind. Reisende möchten schon einige der großen touristischen Highlights, aber sie möchten auch etwas mit den Einheimischen erleben. Und ja, diese Dinge sind sehr bedeutend und finden auch Anklang.
[00:23:15] Brandon Ehrhardt Lasst uns auch über die Kehrseite von Trends sprechen. Ihr wisst schon, manchmal ist man so auf Trendvorhersagen konzentriert, dass man ganz vergisst, dass manche Dinge vergänglich sind. Welches sind derzeit die vorübergehenden Modeerscheinungen in der Reisewelt? Welche Trends beobachten wir gerade, von denen wir nicht glauben, dass sie von Dauer sind? Richard, ich fange mit dir an, und dann darfst du weitermachen, Dennis.
[00:23:34] Richard Kocher Das hat jetzt ein wenig mit dem Punkt zu tun, den Dennis vorher genannt hat. Ich will ja eigentlich nicht wieder über Covid sprechen, aber da konnten wir so viele Erkenntnisse gewinnen. In dieser Zeit konnten wir dank der Anpassungsfähigkeit des Reisens Veränderungen bei der Mobilität und dem Reiseverhalten der Menschen feststellen. Und ich glaube, es wurde viel darüber geredet, dass Städtereisen nicht mehr nachgefragt werden würden und dass Reisende jetzt genug von Städtereisen hätten. Aber wie Dennis schon gesagt hat, zeigen die Daten etwas anderes. Wir können beobachten, wie es die Reisenden wieder in die Städte zieht, und die Zahlen erreichen wieder das Niveau von 2019. Und wahrscheinlich kann man dieselbe Dynamik für Menschen feststellen, die aus Städten weggezogen sind, um außerhalb der großen Städte zu leben. Vielleicht zieht es die jetzt auch wieder zurück. Das war also eine Entwicklung, von der ich sagen würde, die hat sich als flüchtiger Trend entpuppt.
[00:24:16] Dennis Schaal Also, aus Sicht der Unternehmen, und auch ein bisschen aus Sicht der Kunden, ist ein Trend, der sich meiner Meinung nach wahrscheinlich in Luft auflösen wird, das Metaversum.
[00:24:26] Dennis Schaal Ich glaube, das ist eine gigantische Zeitverschwendung für Facebook. Die Unmengen an Dollar, die Facebook in das Metaversum steckt ... Wie heißt es so schön? Es ist nicht so, dass wenn man es entwickelt, alle kommen werden. Es ist eher das Gegenteil: Auch wenn man das Metaversum entwickelt, wird niemand auftauchen. Ich weiß, dass Travelzoo gerade ein eigenes Metaversum gestartet hat. Bleibt also abzuwarten, wie das läuft. Und angesichts der rasanten Entwicklung von KI finde ich, dass Investitionen in das Metaversum zur jetzigen Zeit einfach zur falschen Zeit an die falsche Adresse gehen. Und dann, die andere Sache, dich ich noch erwähnen wollte: Bei vielen Reiseunternehmen war Blockchain ein Thema und es hieß, mit Blockchain könne man Expedia umgehen und man könne das Global Distribution System umgehen. Jetzt reden aber nicht mehr viele Leute von diesem Thema.
[00:25:10] Brandon Ehrhardt Dennis, das ist ein guter Punkt. Richard, das war nicht von Dauer.
[00:25:13] Richard Kocher Ja. Ich wollte nur Dennis' Punkt zum Metaversum noch mal aufgreifen, weil ich das ganz ähnlich empfinde. Und weil man ja hört, was für Investitionen da hineingesteckt werden. Es fühlt sich schon ein wenig wie ein Hype an. Aber ich glaube auch, dass das vielleicht etwas mit dem Alter zu tun hat. Also, ich selbst bin jetzt über vierzig und wenn ich daran denke, Reisen über das Metaversum zu erleben, dann kann ich mir das einfach nicht vorstellen. Aber ich denke auch an meine Kinder, die mit Bildschirmen aufwachsen und in einer viel virtuelleren Umgebung groß werden. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dass das Metaversum für sie eine größere Rolle dabei spielen wird, wie sie über Reisen nachdenken, wie sie Reisen planen und vielleicht sogar dabei, wie sie Reisen erleben. Ich glaube also, dass das Metaversum eine Zukunft hat, aber ich glaube, dass es länger dauern wird, diese Zukunft zu erreichen, als die Branche ursprünglich gedacht hat.